Eine Reise der Inspiration
Die Döschen und Gläser standen schön aufgereiht auf dem Regal in meinem Atelier. Bereit zu einer Farbe angerührt zu und zu einem Bild komponiert zu werden. Auf den Etiketten waren Namen wie Rouge laque Gérnium, Bleu Céruleum oder Oxyde Vert zu lesen.
Voller Vorfreude betrachte ich die bunten Pulver und fühlte mich augenblicklich auf dem Wochenmarkt in Roussillion zurückversetzt. Hörte die Stimme der Frau, die mir erklärt hatte, wie man mit den Naturpigmenten Farbe herstellt. Welche mineralisch und welche organisch gewonnen werden. Sie erzählte mir eine Anekdote, wonach eine Frau bei ihr Pigmente nachgekauft hatte, um sie für ihre Tortenglasuren zu verwenden. Da wäre sie ungehalten geworden. Denn man muss wissen, dass natürliche Pigmente eben nicht unbedingt ungefährlich seien. Viele seinen sogar toxisch. Dieses wunderschöne hellgrün zum Beispiel sei ein Kupferoxidat. Aber ihr Ocker aus Roussillion, dass könne man sogar essen.
Wenig später wehte der warme Wind den roten Tonstaub durch den Canyon, gelbe Erde rieselte die Felsen der ehemaligen Ockermiene hinunter. Die Bäume, die die Schlucht säumten, leuchteten unnatürlich Grün vor dem Rot der Felsen was diesen Ort noch viel unwirklicher erscheinen liess. Auch mich färbte der staubige Wind allmählich rot. Er peitschte eine Wolke roten Staubes vor sich her und liess ihn zu einer kleinen Windhose aufsteigen. Darunter kamen gelbe Schichten von Erde zum Vorschein. Ich nahm ein leeres Einmachglas aus meiner Tasche und füllte es mit gelbem und rotem Pulver. Wie einen Schatz hütete ich es, denn ich hatte vor es im Atelier aufzustellen.
Dass die Pigmente des Ockers für die Provence eine besondere Bedeutung haben, kann man an den Fassaden der typisch-provinzialischen Häuser erkennen. Die Farben der Erden und Steine findet man in den Gassen der Städtchen wieder. In Roussillion schmiegen sich viele ineinander verschachtelte Häuser um einen Hügel. Alles scheint eingetaucht in ein strahlendes Ockerrot. Ein paar Dörfer weiter leuchten die Gassen in Ockergelb. In Bonieux, wo wir wohnten, ist die gesamte Ortschaft in warmen Gelbweiss gehalten. Der Farbe, des Louderonkalkes.
Die Zeit in der Provence war voller Inspirationen und ich füllte nicht nur mein Skizzenbuch, sondern auch meine alte Arzttasche, die ich für meine Malsachen unterwegs benutze. Ich streifte durch die Gassen und über Märkte und kaufte mir alle möglichen Farbtöne zusammen. Mehr und mehr Gläschen mit Farbpulvern klimperten im Inneren meiner Tasche.